Merkmale der Dyskalkulie bei Jugendlichen und Erwachsenen

Zwar sind unzureichende Leistungen im Fach Mathematik ein Indiz für Dyskalkulie, es kommt aber darauf an, welche Schwierigkeiten jemand hat.

  • Die Vorstellung mathematischer Objekte fehlt fast vollständig, z.B. kann man eine viertel Pizza in der Phantasie nicht von einer drittel Pizza unterscheiden.
  • Bereits beherrschte Lerninhalte werden plötzlich vergessen.
  • Gedächtnisinhalte verändern sich, z.B.: Es wird behauptet, man habe den Satz des Pythagoras immer nur in gleichseitigen Dreiecken angewandt.
  • Die Schülerin/ der Schüler freut sich über „ungewöhnliche“ Zusammenhänge, z.B.: Integrale haben etwas mit Formeln zu tun.
  • Es werden Regeln aufgestellt, die mit dem Sinn der mathematischen Objekte nichts zu tun haben, z.B.: Beim Ableiten fällt der letzte Summand weg, oder: Summen bestehen immer aus zwei Buchstaben.
  • Die Einsicht in die Notwendigkeit, Zusammenhänge und Formeln begründen zu müssen, fehlt fast vollständig, z.B.: „a(b+c) = ab + c ist richtig, weil wir das immer so gemacht haben“ oder: „Die anderen in der Klasse haben das auch so gerechnet.“
  • Begründungen werden abgelehnt, z.B.: Man behauptet, die Wurzel von a² + b² sei a + b, trotz Gegenbeispielen und der Begründung des richtigen Zusammenhangs.
  • Die Richtigkeit eines mathematischen Zusammenhangs wird nach ästhetischen oder Symmetrie-Gesichtspunkten beurteilt.
  • Fixierung auf das Hinschreiben einer Lösung beim Rechnen von Aufgaben, z.B.: „Die Rechenmethode ist richtig, weil dann schnell eine Lösung herauskommt.“
  • Es gibt das Phänomen der „angelernten Dyskalkulie“: Z.B. hat man bei der Einführung der Algebra (trotz der grundsätzlich vorhandenen Fähigkeit, sich etwas unter Variablen vorzustellen) verstanden, es käme nur darauf an, Zeichenreihen zu manipulieren. Danach hat man (vielleicht aus Enttäuschung) nie mehr nach dem Sinn in der Mathematik gefragt.

Jugendliche und Erwachsene haben sich Taktiken zurechtgelegt, mit den Schulproblemen umzugehen. Gerade daran kann man in höheren Klassen Dyskalkulie erkennen, zumal die Beherrschung der Grundrechenarten oft nicht abgefragt wird.

Taktiken, mit Dyskalkulie umzugehen:

  • alles mit dem Taschenrechner rechnen.
  • Es wird versucht, die Lehrkraft durch „außermathematische Fähigkeiten“ zur Vergabe von guten Noten zu veranlassen.
  • Man hat sich ein System zurechtgelegt, um durch den Mathe-Unterricht zu kommen (z.B. etwas in Formeln einsetzen) und erwartet nun von der Lehrkraft, dass sie dieses System unterstützt. Falls sie das nicht tut, hat sie eben keine Ahnung von Mathematik und/ oder Pädagogik. („Ich kann die Aufgabe nicht lösen, weil der Lehrer nicht gesagt hat, welche Formel ich benutzen soll.“)

Ansichten über Mathematik (von denen Schüler behaupten, dass sie mit Sicherheit wahr sind), die den Lernfortschritt behindern

  • In Mathe muss man nur immer was in Formeln einsetzen. Es gibt gar nichts zu verstehen.
  • „In Mathe kommt es nur darauf an, die richtige Lösung hinzuschreiben.“ Erwartet wird von der Lehrkraft, dass sie sagt, welche das jeweils ist bzw. „was man machen muss“.

Gründe, Mathematik als Ganzes abzulehnen:

  • „Mathematik ist nur etwas für Leute, die sonst keinen Spaß im Leben haben.“
  • „Mathe braucht man sowieso nicht.“

Gründe, warum es in Mathe nicht so klappt

  • „Ich bin halt ein Mensch, der lieber mit Zahlen rechnet.“ (als Begründung dafür, warum man die Algebra, in der mit Variablen gerechnet wird, nicht versteht.)
  • „Mathe brauche ich hinterher sowieso nicht mehr.“
  • „Der Lehrer ist doof.“

Bietet man Hilfen zum Verständnis des Lehrstoffs an, werden sie oft abgelehnt. als Begründung kann man Erstaunliches hören: Die Schülerin/ der Schüler möchte die bisherige Methode, durch die Schule zu kommen (nämlich Mathematik nicht zu verstehen und beispielsweise nur Zeichenreichen auswendig zu lernen), beibehalten, weil sie für einen selbst besser sei und man auf diese Weise mehr Erfolg habe. Das wird auch trotz der Tatsache behauptet, dass man mit dieser Methode bisher überhaupt keinen Erfolg hatte.

  • „Das mit dem Auswendiglernen kann ich nun mal besser.“
  • „Ich muß mich nicht mathematisch exakt ausdrücken, man versteht mich ja auch so.“
  • „Unser Lehrer hat gesagt, wir bräuchten das nicht zu verstehen.“
  • „Bisher habe ich das Verständnis ja auch nicht gebraucht.“
  • „Das mit dem Verständnis kommt in der nächsten Klassenarbeit/ Klausur nicht dran.“
  • „In der Schule wurde das nicht erklärt. also brauchen wir die Erklärung auch nicht.“